Pflicht der Vertragsstaaten, Staatsoberhäupter von Nicht-Vertragsstaaten, gegen die der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl erlassen hat, festzunehmen: die Präzenzfälle Putin und Al-Bashir
Im Fall des Haftbefehls gegen Putin entschied eine Vorverfahrenskammer des Internationalen Gerichtshofs am 24.10.2024, dass die Mongolei ihre Verpflichtungen aus dem Römischen Statut, durch das dieser Gerichtshof errichtet worden ist, verletzt hat, weil sie Putin nicht verhaftet und ausgeliefert hat, als er sich auf mongolischem Territorium befand. Sie machte von der Möglichkeit Gebrauch, die Angelegenheit gemäß Art. 87 Abs. 7 des Römischen Statuts der Versammlung der Vertragsstaaten zu unterbreiten.
Die Vorverfahrenskammer stützte sich hierbei auf die Entscheidung der Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs im Fall des Haftbefehls gegen den damaligen Präsidenten des Sudan Al-Bashir, der von Jordanien nicht verhaftet und ausgeliefert worden war, während er sich auf jordanischem Territorium befand. Es heißt in dieser Entscheidung (Ziff. I 1 der Entscheidungsgründe):
"Es gibt weder eine Staatenpraxis noch eine opinio juris, die die Existenz einer Immunität des Staatsoberhaupts nach dem Völkergewohnheitsrecht gegenüber einem internationalen Gericht stützen würden. Im Gegenteil, eine solche Immunität wurde im Völkerrecht nie als Hindernis für die Zuständigkeit eines internationalen Gerichts anerkannt."Art. 98 Abs. 1 lautet:
"Der Gerichtshof darf kein Überstellungs- oder Rechtshilfeersuchen stellen, das vom ersuchten Staat verlangen würde, in Bezug auf die Staatenimmunität oder die diplomatische Immunität einer Person oder des Eigentums eines Drittstaats entgegen seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu handeln, sofern der Gerichtshof nicht zuvor die Zusammenarbeit des Drittstaats im Hinblick auf den Verzicht auf Immunität erreichen kann."
Hierzu heißt es in der Entscheidung der Berufungskammer (Ziff. I 5 der Entscheidungsgründe:
"Artikel 98(1) der Satzung enthält selbst keine Vereinbarung, Anerkennung oder Wahrung von Immunitäten. Es handelt sich um eine Verfahrensvorschrift, die festlegt, wie das Gericht vorzugehen hat, wenn eine Immunität besteht, die einem Ersuchen um Zusammenarbeit im Wege stehen könnte."Im Fall Putin ergänzte die Vorverfahrenskammer (Rn. 35):
"Im Gegensatz zu Artikel 27(1) nimmt Artikel 98(1) nicht auf Staatsoberhäupter Bezug. Letzterer ist eine rein verfahrenstechnische Bestimmung, nach der der Gerichtshof im Rahmen von Ersuchen um Zusammenarbeit bestimmte bereits bestehende Verpflichtungen eines Staates berücksichtigen kann. Der Wortlaut und der Kontext von Artikel 98(1) deuten darauf hin, dass er sich nur auf Handlungen der Regierungstätigkeit bezieht, die typischerweise im Ausland durchgeführt werden und durch die Garantien der diplomatischen Immunität für bestimmte Beamte und Gebäude geschützt sind. Darüber hinaus bezieht sich die Bestimmung, wenn sie von staatlicher Immunität spricht, nicht auf die Immunität des Staatsoberhaupts, sondern auf die des Staates an sich, und zwar in Bezug auf diplomatische Räumlichkeiten, Eigentum, Dokumente oder andere Vermögenswerte des Staates, dessen Staatsangehörigkeit die gesuchte Person besitzt, die mit der Untersuchung in Zusammenhang stehen können und ohne die Zustimmung dieses Staates nicht beschlagnahmt werden dürfen."
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