Suspendierung eines EU-Abkommens: Der Präzedenzfall Jugoslawien

Am 11.11.1991 setzte der Rat der Europäischen Gemeinschaften die Handelszugeständnisse nach dem Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien durch die Verordnung (EWG) Nr. 3300/91 mit sofortiger Wirkung aus, weil er in den fortgesetzten Feindseligkeiten und ihren Auswirkungen auf die wirtschaftlichen und handelspolitischen Beziehungen sowohl der einzelnen Republiken Jugoslawiens unter einander als auch mit der EG eine grundlegende Veränderung der Umstände sah, unter denen das Abkommen geschlossen worden war.

Eine deutsche Firma machte, als infolgedessen ein höherer Zollsatz auf ihre Weinimporte aus Jugoslawien angewandt wurde, gerichtlich geltend, dass die Verordnung (EWG) Nr. 3300/91 ungültig sei. In seinem Urteil vom 16.6.1998 - C-162/96, Racke, sah der EuGH keine Gründe, die die Gültigkeit der Aussetzungsverordnung beeinträchtigen könnten. In völkerrechtlicher Hinsicht führte er aus, dass Art. 62 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, der die Voraussetzungen für die Beendigung oder die Suspendierung eines Abkommens wegen einer grundlegenden Änderung der Umstände festlegt, kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht sei (Rn. 53).

Es ist davon auszugehen, dass der EuGH auch Art. 60 Abs. 1 dieses Übereinkommens, der die Beendigung oder Suspendierung eines zweiseitigen Vertrages wegen erheblicher Vertragsverletzung behandelt, als kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht ansehen wird.

Gemäß Art. 60 Abs. 3 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge liegt eine erhebliche Verletzung dieses Artikels in der Verletzung einer für die Erreichung des Vertragsziels und des Vertragszwecks wesentlichen Bestimmung.

 Art. 2 des Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits lautet:

„Die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien ebenso wie alle Bestimmungen des Abkommens beruhen auf der Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie, von denen die Vertragsparteien sich bei ihrer Innen- und Außenpolitik leiten lassen und die ein wesentliches Element dieses Abkommens sind.“

Gemäß Art. 60 Abs. 3 Buchst. b dieses Übereinkommens liegt eine erhebliche Verletzung dieses Artikels in der Verletzung einer für die Erreichung des Vertragsziels und des Vertragszwecks wesentlichen Bestimmung.



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