Internationaler Strafgerichtshof: Teilerfolg Israels, aber Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant nicht suspendiert

Die Vorverfahrenskammer des Internationalen Gerichtshofs hatte am 21.11.2024, dem Tag, an dem sie die Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant erließ, auch zwei Beschlüsse über Anträge Israels zu prozessualen Fragen verkündet. Am 24.4.2025 entschied die Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs über die Rechtsmittel Israels gegen diese Beschlusse.

Eine der beiden angegriffenen Entscheidungen betraf Art. 18 Abs. 1 des Römischen Statuts. Stellt der Ankläger, nachdem ihm eine Situation unterbreitet worden ist, fest, dass eine hinreichende Grundlage für die Einleitung von Ermittlungen besteht, muss er nach dieser Vorschrift u.a. diejenigen Staaten, die im Regelfall die Gerichtsbarkeit über die betreffenden Verbrechen ausüben würden, förmlich benachrichtigen. Israel wollte erreichen, dass die Kammer den Ankläger anweist, eine neue Benachrichtigung herauszugeben, und führte dafür verschiedene Argumente an. Die Vorverfahrenskammer hatte diesen Antrag  zurückgewiesen. Sie war der Ansicht, dass die Benachrichtigung, die der Ankläger am 9.3.2021 vorgenommen hatte, hinreichend spezifisch war. Sie war auch nicht von dem Argument überzeugt, dass eine neue Situation entstanden sei. Die Parameter der Untersuchung hätten sich nicht geändert. Israel habe den Ankläger auch nicht binnen eines Monats nach der Benachrichtigung gemäß Art. 18 Abs. 2 des Römischen Statuts darum ersucht, die Ermittlungen zugunsten eigener Ermittlungen zurückzustellen.

Die Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshof wies Israels Beschwerde gegen diesen Beschluss als unzulässig zurück. Es handele sich bei der angegriffenen Entscheidung nicht um eine Entscheidung betreffend die Gerichtsbarkeit oder Zulässigkeit i.S.v. Art. 82 Abs. 1 Buchst. a Römisches Statut.

Die andere angegriffene Entscheidung betraf Einwände Israels, die auf Art. 19 Abs. 2 des Römischen Statuts gestützt waren. Nach Buchst. b dieser Vorschrift kann die Gerichtsbarkeit des IStGH von einem Staat, der die Gerichtsbarkeit über eine Sache hat, angefochten werden, weil er in der Sache Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchgeführt oder durchgeführt hat (Gedanke der Subsidiarität der Strafverfolgung durch den IStGH gegenüber einer nationalen Strafverfolgung). Buchst. c gibt einem Staat, der nach Art. 12 des Römischen Status die Gerichtbarkeit anerkannt haben muss, das Recht, die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs anzufechten.  Israel machte geltend, dass Palästina nicht die Kompetenzen gehabt habe, die nach internationalem Recht erforderlich seien, um die territoriale Zuständigkeit an den IStGH zu delegieren. Die Vorverfahrenskammer entschied, dass die Entscheidung der Vorverfahrenskammer vom 5.2.2021, mit der die territoriale Zuständigkeit bejaht worden war, rechtskräftig sei. Davon zu trennen sei die Frage, ob Israel als Staat, der die Gerichtsbarkeit über seine Staatsangehörigen hat, per Anfechtung nach Art. 19 Abs. 2 des Römischen Statuts vorbringen kann, dass er selbst in der Sache Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchführt. Die Vorverfahrenskammer erläuterte, dass Israel das natürlich könne, aber erst nachdem ein Haftbefehl erlassen oder eine Ladung erfolgt sei. Normalerweise würden die Staaten von der Existenz eines Verfahrens nach Art. 58 des Römischen Statuts (also eines Verfahrens mit dem Ziel des Erlasses eines Haftbefehls oder einer Ladung durch die Vorverfahrenskammer) nämlich erst erfahren, wenn der Haftbefehl oder die Ladung ihnen mitgeteilt oder öffentlich gemacht worden ist. Erst dann handele es sich um eine Sache im Sinne von Art. 19 Abs. 2 des Römischen Statuts. Der Antrag Israels wurde deshalb zurückgewiesen.

Dieser Beschluss wurde von der Berufungskammer des Internationalen Gerichtshofs aufgehoben. Die Vorverfahrenskammer habe sich nicht genügend mit dem Vorbringen Israels zu Art. 19 Abs. 2 Buchst. c des Römischen Statuts auseinandergesetzt. Die Sache wurde an die Vorverfahrenskammer zurückverwiesen. Den Antrag Israels, aufschiebende Wirkung für die beiden Haftbefehle anzuordnen, lehnte die Berufungskammer ab.


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